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Die doppelte Wesent­lichkeit in der Nach­haltigkeits­berichter­stattung

Mit der kurz vor Finalisierung stehenden neuen EU-Richtlinie zum Sustainabilityreporting (CSRD) wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung noch weiter in den Fokus gerückt. Unternehmen sollen zum einen über die auf sie einwirkenden umwelt- und gesellschaftsbezogenen Aspekte sowie zum anderen über die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf ihr Umfeld berichten. Die hierfür erforderliche Wesentlichkeitsanalyse ist verpflichtend. Die CSRD verfolgt damit das Ziel, die Bereiche Ökologie, Soziales und Ökonomie miteinander zu verpflechten und so den Ansatz einer starken Nachhaltigkeit zu verwirklichen.

Die Europäische Kommission hat am 21.04.2021 einen Entwurf für die sogenannte „Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)“ veröffentlicht, der seither umfassend diskutiert worden ist. Nach der vorläufigen politischen Einigung zwischen Europäischen Parlament und Rat im Juni 2022 wird nun mit der formellen Verabschiedung des finalen Richtlinientexts in den kommenden Wochen gerechnet.

Durch die neue CSRD-Richtlinie werden die berichtspflichtigen Inhalte zu den Aspekten Umwelt, Soziales und Governance (ESG-Kriterien: Environmental, Social, Governance) ausgeweitet und standardisiert. Die notwendigen Informationen beziehen sich bspw. auf das Geschäftsmodell, die Nachhaltigkeitsziele, die Rolle von Management und Aufsichtsorganen, nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensrichtlinien, die Wertschöpfungskette des berichtenden Unternehmens, bestimmte Risikoinformationen sowie Leistungsindikatoren.

Diese berichtspflichtigen Inhalte werden durch das sogenannte Prinzip der doppelten Wesentlichkeit definiert und bestimmt. Dieser Begriff spielt auch in den 13 Standardentwürfen (Exposure Drafts) für neue European Sustainability Reporting Standards (ESRS) eine zentrale Rolle.

Für Unternehmen gilt es daher, zwei grundlegende Perspektiven zu verstehen und jeweils die Chancen und die Risiken zu betrachten:

  1. Outside-in-Perspektive (Finanzielle Wesentlichkeit): Angaben zu den Auswirkungen der Umwelt und der Gesellschaft auf das Unternehmen, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder des Geschäftsergebnisses relevant sind (von außen nach innen = Business-Perspektive).
  2. Inside-out-Perspektive (ökologische und soziale Wesentlichkeit): Angaben zu den Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte (von innen nach außen = Stakeholder-Perspektive).

Zu beachten ist, dass die doppelte Wesentlichkeit bereits auch in der jetzt noch gültigen CSR-Richtlinie (2014/95/EU) integriert ist. Hier sieht die Richtlinie jedoch vor, dass beide Perspektiven gleichzeitig erfüllt sein müssen. Dies hat zur Folge, dass nur eine kleine Schnittmenge beider Perspektiven in den Nachhaltigkeitsbericht einfließt. Vor diesem Hintergrund wurde in der CSRD aus der „und-Verbindung“ eine „oder-Verbindung“ geschaffen und somit muss zukünftig gleichermaßen über die wesentlichen Inhalte beider Perspektiven berichtet werden.

Die neue Auslegung der doppelten Wesentlichkeit erfordert in der Praxis unter anderem eine Ausweitung des Risikomanagements. Bisher wurde von Unternehmen hauptsächlich die Outside-in-Perspektive betrachtet. Deswegen ist es ratsam, sich nun frühzeitig auch mit einer Integration der Inside-out-Perspektive zu befassen. Mit dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit werden zukünftig in der Regel mehr Themen als wesentlich eingestuft, dadurch werden die berichtspflichtigen Inhalte maßgeblich ausgeweitet.

Die Berichtspflicht nach der CSRD unter Berücksichtigung der doppelten Wesentlichkeit sollte von Unternehmen nicht nur als lästige Herausforderung gesehen werden, denn durch die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse – ebenso wie durch deren Entstehungsprozess – ist es den Unternehmen möglich, bspw. auch wertvolle Rückschlüsse über die eigene Wahrnehmung in ihrem Umfeld (d.h. bei ihren Stakeholdern) ziehen.

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