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Thema

ESG in mittelständischen M&A-Transaktionen

„Pudding kann man nicht an die Wand nageln“ – oder doch?

Nachhaltiges Unternehmenshandeln, neudeutsch auch „ESG“, gewinnt derzeit rasant an Bedeutung. Aus rechtlicher Sicht fehlt es jedoch an einem geschlossenen und in sich abgestimmten „Nachhaltigkeits-Unternehmensrecht“. Die Beteiligten einer M&A-Transaktion stehen damit vor der Herausforderung, die gerade auch im wirtschaftlichen Kontext zunehmend bedeutsame, jedoch noch stark im Fluss befindliche und sehr vielschichtige Materie ESG im Transaktionsprozess angemessen zu adressieren. Auf den ersten Blick scheint dies so wenig erfolgversprechend wie das Ansinnen, einen Pudding an die Wand zu nageln.

Nachhaltigkeit und „ESG“ – Was ist das eigentlich genau?

„Nachhaltigkeit“ umfasst üblicherweise drei Bereiche: Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Dieser Dreiklang spiegelt sich etwas abgewandelt auch in dem mittlerweile zum Schlagwort gereiften Akronym „ESG“ (Environmental, Social, Governance) wider. Eine etwas praxistauglichere Bestimmung dessen, was typischerweise als ESG-Aspekte qualifiziert wird, bietet das Merkblatt der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken. Darin werden, nicht abschließend, folgende Aspekte genannt:

  • Environmental/Umwelt: Klimaschutz; Anpassung an den Klimawandel; Schutz der biologischen Vielfalt; Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen; Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft; Abfallvermeidung und Recycling; Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung; Schutz gesunder Ökosysteme; Nachhaltige Landnutzung
  • Social/Soziales: Einhaltung anerkannter arbeitsrechtlicher Standards (keine Kinder- und Zwangsarbeit, keine Diskriminierung); Einhaltung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes; Angemessene Entlohnung, faire Bedingungen am Arbeitsplatz, Diversität sowie Aus- und Weiterbildungschancen; Gewerkschafts- und Versammlungsfreiheit; Gewährleistung einer ausreichenden Produktsicherheit; Gleiche Anforderungen an Unternehmen in der Lieferkette; Inklusive Projekte bzw. Rücksichtnahme auf die Belange von Gemeinden und sozialen Minderheiten
  • Governance/Unternehmensführung: Steuerehrlichkeit, Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption; Nachhaltigkeitsmanagement als Aufgabe der Geschäftsleitung; Vergütung der Geschäftsleitung in Abhängigkeit von Nachhaltigkeit; Ermöglichung von Whistleblowing, Gewährleistung von Arbeitnehmerrechten; Gewährleistung des Datenschutzes; Offenlegung von Informationen

Diese Aufzählung bildet den derzeitigen „Mainstream“ des (rechtlichen) Nachhaltigkeitsdiskurses recht passend ab. Für eine Unternehmenstransaktion wird damit der Gegenstand einer (dann allerdings ausführlichen) ESG-Due Diligence gut umrissen.

„Hard Law“ mit ESG-Bezug – Was gilt bereits, was kommt demnächst?

Mit Blick auf die Vielzahl der bereits geltenden Regelungen mit ESG-Bezug sprechen manche Stimmen von einem „unübersichtlichen und schlecht koordinierten Flickenteppich aus unterschiedlichen Texten und Regelwerken in wohlmeinenden Aufrufen“. Dieser Flickenteppich umfasst indes nicht nur völlig neue Themenfelder, die erst jüngst in das Blickfeld der Gesetzgebung gerückt sind. Vielmehr vereinen sich unter dem Begriff „ESG“ bereits seit Jahren geltende Vorschiften, etwa zum Umwelt- und Naturschutz, zur Produktsicherheit oder dem Arbeitsschutz, und auch vergleichsweise junge Rechtsakte, die unverkennbar dem Nachhaltigkeitsdiskurs der letzten Jahre und dem auf EU-Ebene zur Leitmaxime erhobenen „Green Deal“ entspringen. Beispiele hierfür sind das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die Corporate Sustainability Reporting Directive der EU (Nachhaltigkeitsberichterstattung) und weitere Rechtsakte:

  • Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz(LkSG) normiert menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten (etwa bezüglich der Vermeidung von Kinder- und Zwangsarbeit, der Vermeidung von umweltrechtlichen Verstößen oder der Einhaltung von Arbeits- und Gesundheitsschutzstandards), die von deutschen Unternehmen sowohl in ihrem eigenen Geschäftsbereich als auch in ihrer Lieferkette zu beachten sind. Zwar richtet sich das LkSG unmittelbar nur an relativ große Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern. Dennoch strahlt das LkSG auch auf kleinere Unternehmen aus, da die Sorgfaltspflichten der unmittelbar adressierten (Groß-)Unternehmen sich auch auf (unmittelbare und mittelbare) Zulieferer erstrecken. So hat ein direkt von dem LkSG betroffenes (Groß-) Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards nicht nur bei seinen unmittelbaren Lieferanten, sondern auch bei deren Vorlieferanten zu überwachen und wird somit auch dort auf deren Einhaltung drängen. Mittelgroße und kleinere Unternehmen, die als direkte oder auch nur mittelbare Zulieferer für die vom LkSG direkt betroffenen (Groß-) Unternehmen tätig sein wollen, werden also zunehmend auch gezwungen sein, sowohl bei sich als auch bei den eigenen unmittelbaren und mittelbaren Vorlieferanten auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten des LkSG zu achten.
  • Die derzeit in aller Munde befindliche Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Erfasste Unternehmen müssen über die von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Erfüllung von umwelt- und sozialbezogenen Sorgfaltspflichten entlang ihrer Wertschöpfungskette berichten.
  • Die im Mai 2024 auf EU-Ebene beschlossene und bis Mitte 2026 von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht zu überführende Corporate Sustainabilty Due Diligence Directive (CSDDD) setzt konzeptionell auf dem LkSG auf, vertieft aber die Reichweite der im weiteren Sinn umweltbezogenen Sorgfaltspflichten um beispielsweise Maßnahmen zum Klimaschutz, chemikalienbezogene Pflichten, sowie Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt, von gefährdeten Arten, von besonders schutzbedürftiger Gebieten (z.B. Feuchtgebiete) und der Meere.
  • Die weitestgehend zum 31.12.2024 in Kraft tretende EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verpflichtet Unternehmen mit Sitz in der EU sicherzustellen, dass auf dem Unionsmarkt bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse nur in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt werden, wenn diese „Entwaldungsfrei“ im Sinne der EUDR sind.
  • An geplanten Rechtsakten sind beispielsweise eine EU-Verordnung über das Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten, die allen Wirtschaftsakteuren unabhängig von der Unternehmensgröße verbietet, in Zwangsarbeit hergestellte Produkte in die EU einzuführen, auf dem Unionsmarkt bereitzustellen oder aus der EU auszuführen und die Green Claims-Richtlinie, durch die sichergestellt werden soll, dass umweltbezogene Aussagen von Unternehmen umfassend substantiiert und verifiziert sind, um sogenanntes „Greenwashing“ zu unterbinden, zu erwähnen.

„Soft Law“ mit ESG-Bezug – Heute unverbindlich, morgen vielleicht Gesetz

Soft Law ist ein ursprünglich aus dem Völkerrecht stammender Begriff und bezeichnet Regelungen, die nicht unter die klassische Definition des internationalen Rechts fallen, deren Verletzung nicht gerichtlich geltend gemacht werden kann und die keine Folgen nach dem Recht der Staatenverantwortlichkeit auslösen. Im ESG-Kontext bezieht sich Soft Law auf den Kanon internationaler Abkommen zu ESG-Bereichen, die keine direkte Bindungswirkung gegenüber einzelnen Personen oder Unternehmen haben, und auch im Verhältnis der direkt beteiligten Staaten, supranationalen Organisationen oder nationalen oder internationalen Standardsetzern teilweise nur generalklauselartige Prinzipen und Zielvorgaben ohne konkret ausformulierte Handlungspflichten etablieren. Ergänzt wird der Bereich des Soft Law beispielsweise durch Selbstverpflichtungen von Industrieverbänden oder auch einzelnen Unternehmen oder (im rechtlichen Sinn unverbindlichen) Standards verschiedenster Organisationen, die ihre Wirkungsmacht nicht aus der rechtlichen Verbindlichkeit gewinnen, sondern aus der öffentlichen Erwartung der Befolgung. Beispiele für Soft Law mit ESG-Bezug sind beispielsweise die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die definitionsgemäße rechtliche Unverbindlichkeit von Soft Law soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gerade bei ESG-Themen oftmals als Ziel- und Taktgeber der EU- und nationalen Gesetzgebung fungiert. Das Soft Law von heute ist also oftmals Ausgangspunkt für das Hard Law von morgen.

Auch in mittelständischen Unternehmenstransaktionen kann ESG zum Deal Breaker werden

Noch verpflichtet die ESG-Gesetzgebung direkt zumeist nur relativ große Unternehmen. Davon sollte man sich im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), mithin im Mittelstand, aber nicht täuschen lassen. Für Unternehmenstransaktionen hat die Gesetzgebung bereits jetzt eine starke Ausstrahlung auch auf KMU. Dies zeigt sich beispielsweise am LkSG. So kann ein KMU-Zielunternehmen inkompatibel sein, wenn es wegen seiner (problematischen) Vorlieferanten nicht in eine Lieferkette mit einem Großunternehmen integriert werden kann. Auch die Frage einer gegebenenfalls erforderlichen (Fremd-)Finanzierbarkeit eines Unternehmenserwerbs kann mittlerweile auch im KMU-Bereich stark von dem ESG-Profil des Zielunternehmens beeinflusst sein. ESG-Themen haben inzwischen durchaus das Zeug zum echten „Deal Breaker“ und müssen deshalb auch im mittelständischen Bereich zwingend berücksichtigt werden. Dies wird nachfolgend anhand der Transaktionsphasen Vorbereitung, Due Diligence und Vertragswerk beleuchtet.

Die Vorbereitungsphase – das Aufhübschen der Braut

Käufer in KMU-Transaktionen sind häufig durch operative Überlegungen geleitet und wollen durch eine Akquisition ihr eigenes (operatives) Geschäft stärken. In der Vorbereitungsphase, in der ein solcher Käufer geeignete Zielunternehmen identifiziert, spielen ESG-Aspekte bislang eine nur untergeordnete Rolle. Dennoch ist auch hier sowohl auf der Käufer- als auch der Verkäuferseite dringend anzuraten, das eigene ESG-Profil bzw. auf der Käuferseite dasjenige des Zielunternehmens möglichst frühzeitig zu analysieren.

Die Käuferseite sollte sich spätestens in der Vorbereitungsphase einer Unternehmenstransaktion zumindest ihrer eigenen ESG-Prioritäten bewusst werden. So mag etwa für ein mittelständisches Dienstleistungsunternehmen, das eine Transaktion im eigenen Segment anstrebt, das LkSG oder noch sektorenspezifischer beispielsweise die Konfliktmineralienverordnung, von allenfalls nachrangiger Bedeutung sein. Ganz anders kann es sich hingegen bei einem mittelständischen Zulieferer mit Kunden aus der Großindustrie verhalten. Hier kann ein im Bereich der Beschaffung unter ESG-Aspekten nicht gut aufgestelltes Zielunternehmen unter Umständen im Hinblick auf die schon angesprochene Ausstrahlungswirkung insbesondere jüngerer ESG-Rechtsakte ein absolutes „no go“ sein. Selbst unterhalb der Schwelle eines „Deal Breakers“ gilt aber, dass ein Käufer, der seine ESG-Prioritäten nicht kennt, auch nicht in der Lage sein wird, diese im weiteren Transaktionsprozess – sei es bei der Festlegung des Umfangs der Due Diligence, bei der Kaufpreisbestimmung oder der Gestaltung von Garantien – angemessen einzubringen.

Für die Verkäuferseite gilt die obige Empfehlung leicht abgewandelt: Ausgenommen das wohl eher seltene ESG-Muster-Zielunternehmen, dessen (wohl ohnehin bekanntes) hervorragendes ESG-Profil bei den Verkaufsverhandlungen als Werttreiber eingesetzt werden soll, dürften für die Verkäuferseite ESG-Aspekte oftmals primär Risikoquellen für das Gelingen der Transaktion zu den gewünschten Konditionen sein. Wer aber als Verkäufer nicht rechtzeitig seine ESG-Risiken, genauer gesagt diejenigen des zum Verkauf geplanten Zielunternehmens, kennt, beraubt sich Gestaltungsmöglichkeiten und riskiert damit eine (womöglich deutliche) Verschlechterung seiner Verhandlungsposition. Frühzeitig erkannte eigene ESG-Risiken können oftmals noch im Vorfeld der (Käufer-)Due Diligence beseitigt oder zumindest verringert werden. Hierfür stehen verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, etwa das schlichte Umsehen nach Alternativen zu problematischen Lieferanten oder gar die Ausgliederung problematischer Geschäftsbereiche. Selbst wenn man sich als Verkäufer letztlich entscheidet, identifizierte ESG-Risiken unverändert mit in die weiteren Transaktionsphasen zu nehmen, die Braut also nicht „aufzuhübschen“, hilft das Wissen um bestehende Risiken jedenfalls, den weiteren Transaktionsprozess und insbesondere die eigene Verhandlungsführung proaktiv zu gestalten, anstatt sich dem Risiko auszusetzen, von dem Käufer mit bis dahin ignorierten ESG-Risiken „kalt erwischt“ zu werden.

Für die Selbstanalyse von ESG-Prioritäten (Käuferseite) oder ESG-Risiken (Verkäuferseite) gibt es jedoch keinen die Bandbreite aller denkbaren oder auch nur üblichen Transaktionskonstellationen abdeckenden Leitfaden. Wie das obige Beispiel demonstriert, sind die jeweiligen ESG-Prioritäten und Risiken stark von den individuellen Gegebenheiten des Käufers und des Zielunternehmens geprägt (etwa Größe, Branche, Produktart, Absatzgebiete, Kunden- und Lieferantenzuschnitt etc.). Einen ersten Ansatzpunkt bieten aber zumindest die mittlerweile verfügbaren und teilweise auch sehr umfangreichen ESG Due Diligence-Checklisten. Hiermit können die verschiedenen ESG-Bereiche wenigstens in einem ersten Schritt schon einmal tendenziell nach Relevanz vorsortiert und möglicherweise auch schon teilweise mangels Relevanz ausgeschlossen werden. Eine weitere Selektion wird dann aber üblicherweise nur unter Hinzuziehung von Beratern möglich sein.

Due Diligence

Zur Due Diligence von ESG-Themen wird in der juristischen Praxis darüber diskutiert, ob hierbei dem sogenannten „fragmentiertem Modell“ (die verschiedenen ESG-Aspekte werden „aufgespalten“ und jeweils isoliert durch das für den jeweiligen „Großbereich“ zuständigen Prüfungsteam bearbeitet) oder dem sogenannten „ESG-Workstream-Modell“ (ein dezidiertes multidisziplinäres ESG-Prüfungsteam prüft sämtliche ESG-Themen) der Vorzug zu geben ist.

Diese Diskussion ist indes regelmäßig weit von der Situation bei mittelständischen Transaktionen entfernt. Hier geht es oftmals darum, inwieweit die Due Diligence reduziert und Risiken stattdessen durch vertragliche Verkäufergarantien minimiert werden können, wobei mit sinkendem Transaktionsvolumen oftmals die Tendenz verbunden ist, nur noch eine Due Diligence mit geringem Umfang durchzuführen oder sogar vollständig hierauf zu verzichten und sich nur noch über Verkäufergarantien abzusichern. Die wirtschaftliche Berechtigung, einer sozusagen gleitenden Skala zwischen Umfang und Tiefe der Due Diligence und Verkäufergarantien in (zumindest starker) Abhängigkeit von dem Transaktionsvolumen, soll hier nicht grundsätzlich in Abrede gestellt werden. Wir sind jedoch der Auffassung, dass die stark gewachsene Bedeutung und auch Eigenheit zumindest einiger ESG-Themen, oftmals auch bei KMU-Transaktionen Anlass gibt, den „Regler“ doch etwas mehr in Richtung einer gegebenenfalls auch nur punktuell tiefergehenden Due Diligence zu verschieben:

  • Jedenfalls sofern käuferseitig nicht auch die Einhaltung von Soft Law (etwa bestimmten Selberverpflichtungen der Industrie) von Bedeutung ist, können auch ESG-Aspekte im Regelfall von einer umfassenden „Compliance“-Garantie (= Garantie umfassend rechtmäßigen Verhaltens) abgedeckt werden. Oftmals ist eine solche „Catch all“-Garantie aber nicht oder nur mit Einschränkungen, etwa nur kenntnisabhängig, durchsetzbar. In dieser Situation ist eine zumindest punktuell vertiefte Due Diligence nahezu unverzichtbar, um maßgeschneiderte Garantien zu entwerfen und falls erforderlich auch etwa den Kreis der Personen, deren Kenntnis für eine Garantieverletzung maßgeblich ist, richtig zu ziehen.
  • Selbst wenn es auf der „Tatbestandsseite“, also bei der Gestaltung der Verkäufergarantien, gelingt, unter weitgehendem oder sogar vollständigem Verzicht auf eine Due Diligence, dennoch passende Garantien durchzusetzen, lassen insbesondere jüngere ESG-Rechtsakte aber auch erwarten, dass die „Rechtsfolgenseite“, also die tatsächliche Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung von ESG-bezogenen Garantien, regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein wird. So ist beispielsweise der Schaden wegen eines durch ESG-Aspekte notwendigen Lieferantenwechsels, wegen des Ausschlusses von Vergabeverfahren der öffentlichen Hand (einer üblichen Sanktion jüngerer ESG-Rechtsakte) oder ein gerade im ESG-Kontext durchaus naheliegender Reputationsschaden, oftmals nicht oder nur sehr ungenügend konkret quantifizier- und damit auch effektiv durchsetzbar. Auch die insoweit vorgeschlagenen und im nachfolgenden Abschnitt näher beleuchteten Lösungsansätze, ändern hieran nach unserer Auffassung eher wenig.

Hierbei soll nicht unterschlagen werden, dass insbesondere der Aspekt der voraussichtlich schwierigen Rechtsdurchsetzung bei der Verletzung ESG-bezogener Verkäufergarantien nicht durch die frühzeitige Identifizierung etwaiger ESG-Risiken im Rahmen der Due Diligence vollständig entkräftet wird. Jedoch erweitert dieses Wissen die Reaktionsmöglichkeiten des Käufers. Anstatt ausschließlich auf eine „nachlaufende“ Schadensliquidation bei Garantieverletzungen zu setzen, können frühzeitig identifizierte ESG-Risiken oftmals auch einen Risikoabschlag auf den Kaufpreis durchsetzbar machen oder bei entsprechender Schwere sogar die vollständige Abstandnahme von der Transaktion nahelegen.

Absehbar wird dennoch bei KMU-Transaktionen eine mehr oder minder ausgeprägte Begrenzung von Umfang und Tiefe der Due Diligence der Regelfall bleiben, sodass die Kunst letztlich in der Bestimmung der Due-Diligence Schwerpunkte unter Berücksichtigung von (zumindest auch) ESG-Themen liegen wird. Spätestens hierfür muss sich die Käuferseite aber – wie schon im vorstehenden Abschnitt angesprochen – ihrer ESG-Prioritäten bewusst sein.

Das Vertragswerk – alles neu im Unternehmenskaufvertrag durch ESG?

Die gewachsene Bedeutung von ESG-Aspekten bei M&A-Transaktionen führt nicht dazu, dass die üblichen Strukturen und Mechanismen von Unternehmenskaufverträgen vollständig verworfen und neu gedacht werden müssten. Es ist nochmals zu betonen, dass ESG keinen disruptiven Umbruch bezeichnet, sondern es sich eher um ein relativ neues Label für eine bereits seit langem zu beobachtende Tendenz handelt. Grundsätzlich ist das etablierte Instrumentarium von Unternehmenskaufverträgen damit auch (weiterhin) zur Abdeckung von ESG-Themen geeignet. Insbesondere jüngere Rechtsakte mit ESG-Bezug legen aber abhängig vom jeweiligen Einzelfall eine zumindest punktuelle Anpassung nahe. Hierzu drei ausgewählte Regelungsbereiche:

  • Kaufpreisregelung: Soweit sich die Parteien nicht auf einen weitgehend pauschal festgelegten Festkaufpreis einigen, was wohl nur bei sehr geringen Transaktionsvolumina von größerer Relevanz ist, basieren die Kaufpreisregelungen in Unternehmenskaufverträgen sehr häufig in der einen oder anderen Form letztlich primär auf rein finanziellen Kennzahlen des Zielunternehmens. Die derzeitige Diskussion über die Berücksichtigung der gewachsenen Bedeutung von ESG-Aspekten in Unternehmenstransaktionen dreht sich bezüglich der Kaufpreisregelung deshalb oftmals um die Erweiterung von vertraglichen Kaufpreismechanismen um ESG-bezogene „KPIs“ (Key Performance Indicators), etwa bestimmte Diversitätsquoten oder den Erhalt oder die Aufrechterhaltung von ESG-bezogenen Zertifizierungen oder Ratings. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass ESG-Aspekte nicht nur als Risikofaktoren zu begreifen, sondern auch ein integraler Bestandteil des sowohl kurz- als auch langfristigen Wertschöpfungspotenzials des Zielunternehmens sind. Etwas verkürzt gesagt, bietet ein positives ESG-Profil ein (zumindest weiteres) Indiz für die längerfristige Überlebensfähigkeit des Zielunternehmens. Dieser Betrachtungswinkel mag perspektivisch noch mehr an Gewicht gewinnen, aktuell herrscht bei mittelständischen Transaktionen aber wohl noch der Blick auf ESG-Aspekte als Risikofaktoren vor. Sie werden deshalb in diesem Umfeld auf Ebene der Kaufpreisregelung noch eher zur Begründung von Kaufpreisabschlägen als von Kaufpreiszuschlägen herangezogen. ESG-Themen spielen damit zumindest im Kontext mittelständischer Transaktionen weniger eine Rolle bei der „rechtstechnischen“ Gestaltung der Kaufpreisregelung, sondern eher bei der Kaufpreisverhandlung.

  • Verkäufergarantien: Käufer in einer M&A-Transaktion verlangen regelmäßig eine Garantie zur umfassenden Rechtskonformität des Zielunternehmens (Compliance with Laws). Mit einer solchen Klausel wird zumindest der Bereich des ESG-Hard Law abgedeckt, sodass es insoweit keiner weiteren Regelung bedürfte. Zumindest verhandlungsmächtige Verkäufer sind aber oftmals nicht oder zumindest nicht einschränkungslos bereit, derart weit gefasste „Catch all“-Garantien zu geben. Oft fordern die Verkäufer auf der „Tatbestandsseite“ zumindest kenntnisabhängige Einschränkungen und/oder auf der „Rechtsfolgenseite“ relativ hohe Aufgriffsschwellen, also Schadensbeträge, bis zu deren Erreichen keine Haftung besteht. Für den Fall, dass keine allgemeine Garantie zur Rechtskonformität durchsetzbar ist, könnte als (zumindest etwas) weniger belastende Lösung auf eine zwar nur auf den ESG-Bereich abzielende, in diesem Rahmen aber ebenfalls dem „Catch all“-Prinzip folgende, allgemeine ESG-Compliance-Garantie ausgewichen werden. Für derartige allgemeine ESG Compliance-Garantien kursieren auch bereits Formulierungsvorschläge, in Anbetracht der oftmals gerade im mittelständischen Kontext (und nicht ganz zu Unrecht) zumindest derzeit noch empfundenen Unübersehbarkeit der ESG-bezogenen Regelungsvielfalt, muss jedoch bezweifelt werden, dass Verkäufer für eine allgemeine ESG-Compliance Garantie wesentlich empfänglicher sind, als für eine Garantie zur umfassenden, also nicht nur auf den ESG-Bereich bezogenen, Rechtskonformität. Sofern „Catch all“-Gestaltungen nicht oder nur unter inakzeptablen Einschränkungen durchsetzbar sind oder auch die Einhaltung von bestimmtem Soft Law (z.B. Selbstverpflichtungen der Zielgesellschaft) garantiert werden soll, verbleibt nur der Weg über punktuelle ESG-bezogene Ergänzungen des herkömmlichen Garantiekatalogs. Bei der Erstellung spezifischer ESG-Garantien sollte die Rechtsentwicklung (auch im Bereich des Soft Law) nicht nur im Blick behalten werden, um regelungsbedürftige Bereiche zu identifizieren, sondern auch als Formulierungshilfe. Generische, also selbst entworfene, Umschreibungen von z.B. Zwangsarbeit sind stets mit großer Auslegungsunsicherheit verbunden. Inzwischen bietet aber etwa das LkSG (§ 2 Abs. 2) eine vergleichsweise umfassende Definition dieses Begriffs. Sofern ESG-spezifische Garantien nur unter Einschränkungen, üblicherweise kenntnisabhängig, durchsetzbar sind, ist zudem ein großes Augenmerk auf die Frage, wessen Kenntnisse dem Verkäufer zuzurechnen sind, zu legen. Die ESG-bezogene Regelungsvielfalt zwingt auch zur genauen Befassung mit der Frage, inwieweit tatsächlich nicht gegebenes, aber bei sorgfältigem Verhalten erlangbares (etwa durch die Befragung von Mitarbeitern) Wissen dem Verkäufer zuzurechnen ist. Es sollte tunlichst vermieden werden, dass (gegebenenfalls sogar taktisch motivierte) Blindheit gegenüber eigenen ESG-Risiken auf Seiten des Verkäufers dazu führt, dass Garantien ins Leere laufen.

  • Haftungsregelung: Bezüglich der Rechtsfolgen von Garantieverletzungen sind die etablierten Haftungsregelungen auch weiterhin geeignet, die quantifizierbaren Schäden bei Verstößen gegen ESG-Garantien (etwa wenn diese zu Bußgeldern führen) abzudecken. Wie bereits angesprochen, lassen aber insbesondere jüngere ESG-Rechtsakte die Tendenz erkennen, dass Verstöße zumindest auch zu sehr schwer oder nahezu nicht quantifizierbaren Schäden führen können, so etwa Reputationsschäden. Hier wird zunächst der Weg über Schadenspauschalierungen vorgeschlagen, wobei jede Pauschalierung eines nur schwer oder nahezu nicht quantifizierbaren Schadens wohl oftmals wiederum dem Vorwurf der Willkürlichkeit ausgesetzt sein wird. Zudem wird, zu Recht, darauf verwiesen, dass aus Verkäufersicht stets darauf zu achten ist, dass die Schadenshöhe (sofern man sich nicht auf eine Pauschalierung einigen konnte) im Wege der Schätzung ermittelt werden kann und das auch hypothetische Kausalverläufe zu berücksichtigen sind. Dem deutschen Zivil- und Zivilprozessrecht sind diese Prinzipien immanent (§ 252 Satz 2 BGB, § 287 ZPO), es sollte aber sichergestellt sein, dass dies auch gilt, wenn auf den Unternehmenskaufvertrag eine ausländische Rechtsordnung Anwendung finden soll und/oder Streitigkeiten nicht vor staatlichen (deutschen) Gerichten geführt werden, sondern – wie häufig – eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen wird. Auch wenn die Sinnhaftigkeit dieser Vorschläge nicht in Abrede zu stellen ist, erscheint es aber dennoch leider sehr zweifelhaft, dass hierdurch die absehbaren Schwierigkeiten für die Liquidation von schwer oder nahezu nicht quantifizierbaren Schäden wegen ESG-bezogener Garantieverletzungen vollständig beseitigt werden kann.

Fazit

Eine umfassende Behandlung der als unübersichtlich und inhaltlich (zumindest noch) schwer greifbar empfundenen Flut insbesondere an jüngerer Gesetzgebung mit ESG-Bezug im Rahmen von mittelständischen Unternehmenstransaktionen, gleicht auf den ersten Blick tatsächlich dem Ansinnen, einen Pudding an die Wand nageln zu wollen. Ein integrierter Ansatz aus zumeist nur punktuell erforderlichen Modifikationen des etablierten Instrumentariums der M&A-Vertragsgestaltung und einer auch auf zumindest ausgewählte ESG-Bereiche fokussierten Due Diligence macht ESG-Themen aber auch in Unternehmenstransaktionen beherrschbar. Gerade die im Mittelstand oft etwas vernachlässigte Due Diligence bietet im ESG-Kontext die Möglichkeit, Transaktionsrisiken zu minimieren. Der Pudding ESG muss also gar nicht an die Wand genagelt werden, er kann auf dem Tisch bleiben – da ist er auch besser genießbar.

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